Im Dauereinsatz für Demokratie, Frieden und Freiheit: 6. ARD-Freienkongress fordert besseren Schutz für Freie

31. März 2022  

Freie Mitarbeitende liefern täglich den größten Teil des Qualitätsprogramms im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch sie werden vor Anfeindungen und Angriffen nicht ausreichend geschützt. Zugleich haben sie oft kein regelmäßiges Einkommen und leiden vielfach unter unsicherer Beschäftigung. Der Ukraine-Krieg zeige deutlich, wie wichtig die öffentlich-rechtlichen Sender sind, so Staatssekretärin Heike Raab (SPD), Koordinatorin der Rundfunkkommission der Länder: “Wir haben das beste Mediensystem der Welt.” Das sollte allen Bürger:innen ihren Rundfunkbeitrag wert sein, erklärte sie auf dem 6. ARD-Freienkongress.

Rund 18.000 ständig freie Reporter:innen, Moderator:innnen, Kameraleute, Cutter:innen und viele weitere freie Mitarbeitende arbeiten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Besonders die unklare Perspektive nach dem Ende der Beitragsperiode 2024 sorgt bei vielen für Unruhe und Unsicherheit. Für ein Qualitätsprogramm braucht es eine angemessene und langfristig verlässliche Rundfunk-Finanzierung, so das Fazit des Kongresses. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass ein von Staat und kommerziellen Interessen unabhängiger und leistungsstarker Rundfunk die beste Stütze der Demokratie gegen Lügen und Propaganda ist, so der ARD-Freienrat zum Ende des Kongresses. Zum ARD-Freienkongress waren vom 23. bis 25. März 2022 rund 250 Teilnehmer:innen zusammengekommen.

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Auf die Frage “Freie: Schutzlos in der ersten Reihe?” von Steffi Illinger (BR) vom ARD-Freienrat berichteten freie Reporter:innen, dass sie vermehrt etwa bei Corona-Demonstrationen gezielt angegriffen worden seien, insbesondere von Rechtsextremisten. Auch bei Auslandseinsätzen wie in Syrien, Afghanistan und jetzt in der Ukraine habe die Unsicherheit deutlich zugenommen, so berichtete der für den MDR und das ZDF tätige freie Journalist Arndt Ginzel unmittelbar nach seiner Rückkehr aus dem Kriegsgebiet. Programmdirektor Thomas Hinrichs vom Bayerischen Rundfunk erklärte, dass die Sender inzwischen vermehrt Schutzausrüstung angeschafft hätten und Sicherheitspersonal einsetzten. Allerdings könnten die Sender nicht die Arbeit der Polizei ersetzen. Als Vertreter der Bundesregierung bekräftigte Jan Ole Püschel, Abteilungsleiter bei der Kulturstaatsministerin der Bundesregierung, dass Journalisten bei Demonstrationen und Polizeieinsätzen geschützt werden müssten. Bundes- und Länderpolizei seien dabei inzwischen besser geworden, auch dank der vielfältigen Initiativen der Gewerkschaften, so Monique Hofmann von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union DJU in ver.di. Sie wiederholte auf dem ARD-Freienkongress die Einladung an die ARD, dem Schutzkodex für Medienschaffende beizutreten. Damit unterstützte sie die Forderung der Freien nach einem durchgängigen und nicht nur fallweisen Schutz durch die Rundfunkanstalten vor Angriffen auf der Straße, im Netz und gegen sogenannte Einschüchterungsklagen, mit denen unliebsame Berichterstattung verhindert werden soll.

Viele Freie klagten auf dem ARD-Freienkongress über finanzielle Unsicherheiten. Anders als ihre angestellten Kolleg:innen, mit denen sie vielfach Schulter an Schulter arbeiten, erhalten sie oft weniger Geld, beziehen kein festes Einkommen und unterliegen auch nicht dem in der Arbeitswelt üblichen Kündigungsschutz. Frank Überall bestätigte dies in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Deutschen Journalistenverband DJV und als langjähriger freier Mitarbeiter unter anderem für den WDR. Da die Rundfunkanstalten über zu wenige Planstellen verfügten, hätten Freie im Rundfunk auch kaum die Möglichkeit, ein reguläres Angestelltenverhältnis zu erlangen. Durch die zahlreichen zusätzlichen Online-Aktivitäten der ARD habe die Arbeitslast erheblich zugenommen, ohne dass die Einkommen entsprechend gestiegen seien. Intendantin Katja Wildermuth betonte dagegen für den Bayerischen Rundfunk, dass die Einkommen der Freien im Verhältnis zueinander in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften ausgeglichener gestaltet worden seien. Sie bekräftigte zugleich, dass die digitale Offensive und das große lineare Programmangebot zugleich weiter gestemmt werden sollen, auch wenn es viele Ressourcen koste.

Umso mehr sorgt die Unklarheit über die Anpassung des Rundfunkbeitrags nach dem Jahr 2024 für Unruhe und Unsicherheit, insbesondere unter den Freien, da sie erfahrungsgemäß zu den ersten Sparopfern zählten. Sie forderten auf dem Kongress von Staatssekretärin Heike Raab als Koordinatorin der Rundfunkkommission ein eindeutiges Bekenntnis der Bundesländer zum unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit der dafür nötigen dauerhaft sicheren Finanzierung ohne die wiederholten Abstriche und Spardiktate. “Spätestens mit dem Ukraine-Krieg, der immer stärker auch ein Informationskrieg wird, sollte klar sein: Jeder Euro für den unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist ein Euro für Frieden, Freiheit und Demokratie”, so Stefan Tiyavorabun (SWR) vom ARD-Freienrat. Die weiteren Fachvorträge und Diskussionen nutzten die ARD-Freien für einen intensiven Austausch, für den neben der täglichen Berichterstattung oft die Zeit fehlt. So ging es unter anderem um

• den Schutz vor der schleichenden Verletzung von Urheberrechten und dem damit einhergehenden Einkommensverlust,
• die Probleme und Lösungsmöglichkeiten für eine Altersvorsorge in Zeiten von Niedrigzins und Inflation,
• die Freiheiten und Tücken des Home Office sowie
• die Chancen juristischer Klagen auf ein Angestelltenverhältnis.

Im Gespräch mit Sebastian Fiedler, Innenexperte der SPD im Bundestag, forderte Stephanie Hajdamowicz (WDR) vom ARD-Freienrat klare Kante gegen Rechtsextremismus. Übergriffe gegen Journalist:innen und Kamerateams dürften nicht hingenommen oder verharmlost und werden, Politik und Behörden müssten ihre Versprechen einlösen.

Für den ARD-Freienrat: Stephanie Hajdamowicz (WDR). Christina Lutz (BR). Christoph Reinhardt (RBB), Stefan Tiyavorabun (SWR), Rüdiger Trojok (MDR)

Mehr Infos unter www.ard-freie.de