Ralf Leifer vom DJV Thüringen hat die Aushandlung des Tarifwerkes zu den crossmedialen Honoraren über viele Jahre begleitet. Im Gespräch mit “Frei_Brief” stellt er aus Sicht der Gewerkschaft dar, warum auch dieses Ergebnis nur ein Zwischenschritt sein kann:
Warum werden die Honorartabellen beim MDR verhandelt?
Die tarifierten Tabellen stammen aus einer Zeit, in der Freie ausspielwegbezogen beauftragt und honoriert wurden. Die Mindestvergütungen kamen u. a. unter Berücksichtigung der dem MDR übertragenen Nutzungsrechte zustande. Vor 20 Jahren durften online verbreitete Inhalte nur programmbegleitenden Charakter haben, also keine originär für Online bestimmte Beiträge produziert werden. Der aktuelle Urhebertarifvertrag, der nahezu inhaltsgleich bei allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt, enthält einen Onlinezuschlag in Höhe von 4,5 Prozent für die Nutzung von für Hörfunk und Fernsehen produzierten Beiträgen im Onlinebereich. Der 2019 in den Rundfunkstaatsvertrag aufgenommene Telemedienauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sieht eine umfangreichere non-lineare Verbreitung von redaktionellen Inhalten vor, was natürlich etwas anderes als eine „nur“ programmbegleitende Verbreitung darstellt. Nicht zuletzt hat der DJV ein Interesse daran, die seit 2016 lediglich in einer Selbstverpflichtung des MDR festgelegten Honorare für crossmediale Tätigkeiten tarifvertraglich zu regeln.
Welche Prämissen setzen die Gewerkschaften in den Verhandlungen?
Die Verhandlungsmaterie ist sehr komplex und geht weit über die Schaffung von crossmedialen Tätigkeiten hinaus:
– Für den DJV sind bei allen Wünschen nach Flexibilität und Vereinfachung der Honorartabellen die sachgerechte Reduzierung von Tätigkeitsbezeichnungen und die möglichst interpretationsfreie Abgrenzung neuer Tätigkeiten durch eindeutige Beschreibung der jeweils zu erbringenden Leistungen unabdingbar.
– Bei der Überleitung in die neue Honorartabelle müssen die für bisherige Tätigkeiten erreichten Effektivhonorare (tatsächlich gezahlten Honorare) erhalten bleiben.
– Eine ausspielwegunabhängige Beauftragung schließt eine unterschiedliche Mindestvergütung für gleiche Tätigkeiten (z. B. redaktioneller Mitarbeiter) aus.
– Bei der Schaffung crossmedialer Tätigkeiten stellt sich zudem die Frage, welche Regelungen im Urhebertarifvertrag angesichts der erweiterten Nutzungsmöglichkeiten erforderlich sind, um den Werkautoren angemessene Vergütungen zu sichern.
Seit Anfang des Jahres wird die Honorierung freier Mitarbeitender im MDR auf crossmedial umgestellt. Hintergrund ist die Umstellung auf zeitgemäßere Tätigkeitsbeschreibungen und Aufgabenprofile. Im ersten Schritt ging es um Content Creator 1 und Content Creator 2 – was ist der neue Geist dieser Bezeichnungen?
Ich gestehe, Schwierigkeiten mit dieser Tätigkeitsbezeichnung zu haben. Sie folgt einem Zeitgeist, in dem Dinge miteinander vermischt und damit Unterschiede kaschiert werden. Eine Tätigkeitsbezeichnung, die auch für zielgruppengerechtes Marketing steht, sollte nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk benutzt werden. Als Alternative hatte der DJV Redaktionsdienst statt Content Creator 1 und Reporterdienst anstelle von Content Creator 2 vorgeschlagen. Die MDR-VertreterInnen lehnten nach Rücksprache in den Redaktionen mit der Begründung ab, dass die vom DJV vorgeschlagenen Bezeichnungen zu wenig Wertschätzung für die Tätigkeit ausdrücken.
Der Rundfunkbeitrag muss täglich durch qualitativ hochwertige journalistische Beiträge gerechtfertigt werden. Dazu werden Generalisten für das redaktionelle Hinterland (Content Creator 1) als auch Spezialisten (Content Creator 2) benötigt. Deren Arbeitsweise unterscheidet sich jedoch grundsätzlich. Wesentlicher Unterschied ist, dass der Content Creator 1 keine Beiträge erstellt. Dafür gibt es ein Mindesthonorar, das sich nicht daran bemisst, für welchen Ausspielweg Inhalte zusammengestellt oder bearbeitet werden. Kennzeichnend für den Content Creator 2 ist das Erstellen von Beiträgen. Die Gewerkschaften haben darauf hingewiesen, dass eigene Schnitt- und/oder Drehleistungen eine Zusatzqualifikation darstellen und als solche zusätzlich honoriert werden müssen.
Eine systematische Beauftragung als Content Creator 1 und regelmäßige Änderung der Beauftragung als Content Creator 2 am Einsatztag ist nach dem Tarifvertrag nicht zulässig. Ausnahmen aufgrund von Nachrichtenlagen oder kurzfristigen personellen Ausfällen bleiben davon unberührt.
An vielen Stellen scheint der Übergang von den alten Honoraren (H für Hörfunk, F für Fernsehen) zu den neuen C-Tätigkeitsschlüsseln reibungslos zu klappen, aber es sind auch schon Fragen aufgekommen. So gibt es bei manchen Mitarbeitenden und auch bei den Beauftragenden mitunter Unklarheiten, ob denn nun die eins oder die zwei zutreffend wäre. Wohin können sich die Betroffenen wenden?
Nach meiner Kenntnis haben die MDR-Verantwortlichen die Kolleg*innen in den beauftragenden Bereichen geschult. Freie Mitarbeitende können sich von den Gewerkschaften beraten lassen, sofern sie deren Mitglied sind.*
Das ganze Verfahren steht unter Vorbehalt und soll evaluiert werden – nach welchen Kriterien?
Der Tarifvertrag mit den crossmedialen Tätigkeiten gilt befristet bis zum 31. Dezember 2023. Ab 3. Quartal gibt es eine Evaluierung der neuen Tätigkeiten. Sollte es in der Praxis Schwierigkeiten bei der Handhabung dieser tariflichen Regelungen geben, können sich freie Mitarbeitende an die Gewerkschaften wenden. Die Tarifparteien verständigen sich sodann über etwaige Änderungen. Gegenstand der Evaluierung ist auch die tarifliche Fortgeltung der crossmedialen Tätigkeiten.
Ganz offen bleibt bisher die Frage der sogenannten Werke. Also Beiträge, Artikel, Inhalte, die bisher von Autorinnen und Autoren für die verschiedenen Ausspielwege gefertigt wurden und für die sie einzelvertraglich honoriert worden sind. Wie ist der Verhandlungsstand zum Content Creator Werk – und warum ist gerade diese Kategorie dem DJV so wichtig?
Werkleistungen in selbständiger Tätigkeit (Content Creator 3) sollen nach Ansicht des DJV noch vor den Moderatorenleistungen verhandelt werden. Eine Grundlage dafür ist durch die Diskussion in den Workshops bereits vorhanden. Dennoch sind noch einige schwere Brocken aus dem Weg zu räumen. Werkleistungen in selbständiger Tätigkeit stehen wie kaum eine andere Tätigkeitsgruppe für das programmliche Abwechslungsbedürfnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Im Gegensatz zum Werkvertrag ist der Schichtdienst leistende freie Mitarbeitende zur reinen Leistung (Bemühung), nicht jedoch zum Erfolg verpflichtet. “Erfolg” bedeutet in diesem Fall, dass die Leistung nach den genauen Vorgaben des Auftraggebers erbracht wird, ohne wesentliche Mängel.
Ein weiteres Thema scheint mir mit Blick auf die Gesamtsituation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wichtig zu sein: die bessere soziale Absicherung für freie Mitarbeitende mit programmgestaltenden Tätigkeiten. Eine neuerliche Erhöhung des Rundfunkbeitrags scheint aus unterschiedlichen Gründen in weiter Ferne. Die Politik, die Rechnungshöfe, die KEF drängen auf Reformen mit dem Ziel der Kosteneinsparung. Die fest angestellten Mitarbeitenden und Freien mit nichtprogrammgestaltenden Tätigkeiten sind durch den Mantel- bzw. Bestandsschutztarifvertrag weitestgehend sozial geschützt. Da braucht man nicht viel Fantasie, auf wen der Kostendruck abgeladen wird.
*Anmerkung der Redaktion: Auch die örtlichen Freienräte sind ansprechbar.